Zeitmanagement in der Familie

Zeitmanagement im Familienalltag

Seit vielen Jahren gebe ich Zeitmanagement-Workshops für Eltern (Naja, meist kommen nur die Mütter. Leider). Also ich weiß genau: Kinder ticken anders. Brauchen länger, verlieren sich in Augenblicken. Hinsetzen – Legospielen – Zeit vergessen. Da kann man schon mal neidisch werden. Wenn ich auf dem Sofa sitze, dann höchstens zwei Sekunden lang. Denn vom Sofa aus sehe ich, was alles noch getan werden muss. Und dann muss ich leider aufspringen. Und sinnvolle Dinge tun: Rumräumen, rumorganisieren, rumscheuchen. Diese Rums kommen nicht so gut an bei meiner Restfamilie. Die wissen genau: Jetzt werden Aufträge verteilt (im Zeitmanagement heißt das Delegation). Und schon sind sie auf der Flucht. 

Meine innere Todo-Liste ist zuverlässig

Dabei sind wir wirklich gut organisiert, Früchte jahrelanger Zeitmanagement-Recherchen: Riesige Küchentafel mit allen Wochen- und Außer-der-Reihe-Terminen. Post-Its an der Wand mit Familien-Todos. Alle haben Zugriff auf einen gemeinsamen Online-Kalender, Erinnerungen plöppen rechtzeitig und sehr penetrant auf. Kaninchenstall saubermachen, Zahnarzttermin, sowas halt. An die Kaninchen, die Zahnarzttermine und was sonst noch so anliegt, denke meist nur ich. Und oft auch vor dem Aufplöppen. Meine innere Todo-Liste ist zuverlässig. Zumindest, was die Restfamilie angeht. Meine eigenen Termine bleiben manchmal auf der Strecke. Ups, schon wieder den Augenarzt-Termin vergessen. Könnte mich ja mal jemand dran erinnern. Die Kinder finden es lustig.

Und dann sind da noch die vielen anderen Todos, die in keinem Kalender stehen und die dennoch Aufmerksamkeit verlangen. Mein Mann nennt sie die „Wir-müssen-nochs“. Ganz plötzlich tauchen sie auf, für mich ganz logisch, für die Restfamilie erstaunlich. Warum fällt mir gerade jetzt beim Frühstück ein, dass wir dringend eine Glühbirne fürs Tochter-Fahrrad brauchen? Ganz klar, ich höre im Radio einen Bericht über geteilten Unterricht, erinnere mich an eine Nachricht von der Elternsprecherin, dann mir fällt ein, dass morgen ja Schule ist und es morgens noch dunkel ist und dann denke ich: Fahrradlicht.

Um die Ecke denken hab ich im Blut. Vergessen auch. Nach dem Frühstück ist das Fahrradlicht nicht mehr in meinem Mental Load. Also meinem Unbedingt-dran-denken-Speicher. Am nächsten Morgen holt die Tochter das Fahrrad aus der Garage und bemerkt: Licht kaputt. Ich könnte jetzt was sagen. Mach ich aber nicht. Fährt sie halt mit Klemmlicht. 

Meine Wir-müssen-nochs sind nachtaktiv

Dummerweise tauchen diese Wir-müssen-nochs auch in der Nacht auf. Kennt ihr das: Ihr wacht plötzlich auf und seid hellwach. Ich könnte jetzt all das machen, was auf meiner todo-Liste steht. Aber es ist ja mitten in der Nacht. Also: Einschlafen. Jetzt. Klappt aber nicht, denn meine Wir-müssen-nochs sind nachtaktiv. Sehr. Ich muss sie einschläfern und schnappe mir ein Buch. Sie wollen nicht, drängeln sich in die Geschichte, die ich zu lesen versuche, werden immer mehr. Langsam werde ich ungehalten (unwirsch!). Ich will doch nur schlafen! 

Meist gewinne ich dann doch, es dauert halt nur und macht nicht gerade gute Laune am nächsten Tag. Am Morgen versuche ich mich an alles Wichtige zu erinnern, aber da ist nichts mehr. Alles weg – wie kann das bloß sein? Zeitmanagement-Gurus, Mental-Load-Expert:innen (Patricia Cammarata kennt sich gut aus!) und mein Mann sagen: Das Zeugs muss raus aus dem Kopf, am besten alles aufschreiben. Gleich in der Nacht. Hätte ich bloß alles aufgeschrieben – meine Familie hätte sich gefreut, endlich neue Aufträge.

Zu Weihnachten schenkt mein Mann mir einen kleinen Block, selbstgestaltet mit Supersuse-Illustration. Oben drüber steht „Wir müssen noch:“, ganz unten: „Darauf freue ich mich:“.

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