Dumm gelaufen

Supersuse stolpert beim Joggen über eine Wurzel

Eigentlich war alles wie immer: Montagmorgen ist mein Lauftag, mein Ideen-für-den-nächsten-Text-sammeln-Tag. Und während ich so am Torfkanal entlanglaufe, viele Sätze aus meinem Hirn purzeln, macht es plötzlich Rumms. Also nicht es, sondern ich. 

Unerwartet finde ich mich auf dem Boden liegend wieder. Gesicht im Laub, Blut im Mund. Mist, denke ich, was macht denn diese blöde Baumwurzel mitten auf dem Weg? Benommen setze ich mich auf dem gar nicht so weichen Waldboden auf, befreie mich von Blättern, Blut und Dreck und begutachte meine Blessuren. Eigentlich alles okay, denke ich so. Kein Zahn locker und bis auf ein paar Kratzer scheint alles andere auch einigermaßen okay zu sein. Langsam rappel ich mich auf und mache mich auf den Weg nach Hause. Nach ein paar Metern fange ich automatisch an zu laufen. Geht doch.

Stolpern ist mein Thema. Schon als Kind hatte ich immer aufgeschlagene Knie. Hans guck in die Luft, kommentierten meine Eltern – ich gehöre zu den leicht traumatisierten Struwwelpeterkindern. Als Teenager fand ich Röcke zu tragen doof wegen der Narben auf den Knien. Inzwischen ist mir das egal, es kommen ja immer wieder neue Blessuren hinzu, beim Wandern zum Beispiel und manchmal eben auch beim Joggen. Dieses Mal habe ich also Glück gehabt. Die Knie sehen tipptopp aus.

Zuhause wunderte sich der beste Ehemann kurz über meine leicht angeschwollene Lippe und mein blutiges Gesicht und machte sich erst mal keine Sorgen. Eigentlich ist er gut im Sorgenmachen. Aber so schlimm sah ich wohl nicht aus, immerhin kein aufgeschlagenes Knie. Dann unter der Dusche tauchten allerdings die ersten Schmerzen auf: „Oha, meine Rippen“ und „aua, mein rechter Arm lässt sich nicht drehen“. Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, was man im Alltag alles so mit einem Arm anstellt? Ich nicht. Waschen war jedenfalls schwierig, Zähneputzen ging gar nicht. Anziehen? No way. Und dann war da noch dieser Schmerz auf der linken Seite. Oberer Rücken. Okay, dachte ich wieder, dann suche ich wohl mal den örtlichen Orthopäden auf. Wie ich da mit dem Fahrrad hingekommen bin, keine Ahnung.

An diesem Vormittag lerne ich einiges über unser Gesundheitssystem. Patient:innen, die das Praxispersonal anbrüllen, weil sie „seit Stunden“ in der Schlange stehen müssen, und solche, die wieder weggeschickt werden, obwohl sie doch „sehr starke Schmerzen“ haben. Praxispersonal, das nicht mal Zeit hat, ans Telefon zu gehen und freundlich und bestimmt die Lage erklärt, völlig überlastete Azubis. Ich verstehe sie alle, aber das hilft jetzt auch nicht. Zum Glück darf ich bleiben, ich glaube, die Frau am Empfang fand es besorgniserregend, dass ich beim Atmen Schmerzen spürte. Der Orthopäde begutachtete fröhlich meine Röntgenbilder und fragte die Arzthelferin: Na, was sehen wir? Glatter Bruch, weiß diese, und freute sich über ihr Erfolgserlebnis. Radiusköpfchenfraktur ergänzt der Arzt. Gips? Fragte die Arzthelferin. Bitte nicht, denke ich. Nein, sagte der weise Halbgott gnädig, Stützverband reicht. 

Ich bin jetzt also von den Fingerspitzen bis zur Schulter eingepackt, der Arm „ruht“ in einer Schiene im rechten Winkel vor meinem Oberkörper. Stützverband ist auch nicht viel besser als Gips. Die rechte Hand ist erst mal nicht mehr zu gebrauchen, stillgelegt. Der linke Arm eigentlich auch nicht, weil ich dummerweise auch noch ein paar geprellte Rippen habe. „Brauchen Sie die rechte Hand?“, fragt mich der Arzt. Grmpf.

Irgendwie komme ich nach Hause, Fahrradfahren geht gar nicht, Fahrradschieben ist auch nicht so dolle. Der beste Ehemann ist jetzt tatsächlich besorgt und kocht erst mal Kaffee. Ratlos starre ich auf das Brötchen und hantiere hilflos mit dem Messer. Die Milch schwappt neben die Tasse. Aber essen kannst du allein? fragt mein Liebster und findet das lustig. Schön auch diese Kinder, die natürlich per Familien-Chat informiert werden. „Ich bin vier Stunden in der Schule und Mama bricht sich ihr Handgelenk???“, wundert sich mein Jüngster. Nahkampf, erklärt meine Tochter. Mit einem Reh, ergänze ich. „Du willst gar nicht wissen, wie das Reh aussieht, schreibt sie noch. Ich beende das Gespräch mit dem Hinweis darauf, dass ich durchaus noch in der Lage bin, Aufgaben zu verteilen.

Und geh dann lieber mal an den Schreibtisch. 

Solltet ihr euch fragen, wie dieser Text entstanden ist? Mit links natürlich!

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