Mein Vater war ein Blumenstreichler und Vogelflüsterer. Auf unserer winzigen Terrasse in Hamburg-Barmbek blühte und grünte es in alle Richtungen, grüner Daumen halt. Ich erinnere mich an blau-gemusterte Iris, kunterbunte Primeln und Phlox. Falls ihr jetzt denkt, die kennt sich ja aus: Ich hab das grad mal nachgeschlagen, bisher dachte ich die heißen Flocks. Aber egal. Sein Minibiotop wurde also gehegt und gepflegt und natürlich mussten wir das Grünzeugs gebührend bestaunen: „Sind die nicht schön? Schau mal, da kommt schon wieder eine neue Blüte!“. Ich dachte damals: Naja, Blumen halt.
Und dann die Vögel. Fraßen ihm aus der Hand, ganz ehrlich. Er saß auf seinem Liegestuhl und die Meisen und Spatzen kamen angeflogen. Sogar ein Wellensittich war mal dabei, hatte sich wohl rumgesprochen, das mit dem Vogelfutter. Der konnte sogar seinen Namen sagen, also blieb er einfach bei uns und knabberte sich jahrelang durch unsere Wohnzimmergardinen.
Meine Mutter hatte es eher so mit den Rosen. Gleiche Verzückung, gleicher Versuch, unsere Leidenschaft zu entfachen. Klappte nur bedingt. Naja, Blumen halt. Dabei hatten wir inzwischen einen riesigen Garten mit Apfelbäumen, Gemüsebeeten, Kompost – alles von meiner Großmutter bewirtschaftet. Und die wiederum fand, dass wir uns doch alle mehr begeistern sollten. Klappte wieder nicht. Die Stachelbeeren waren zu stachlig, die Kartoffeln zu erdig, der Kompost stank. Und ich durfte ständig Rasen mähen und harken, natürlich nicht elektrisch. Das war sehr viel Rasen.
WG-Kaninchen auf dem Balkon
Meine Gartenbegeisterung ließ also auf sich warten. In meiner ersten Wohnung gab es immerhin einen Balkon. Aber der war bewohnt von unseren WG-Kaninchen. Drei Quadratmeter Betonfläche voller Köttel – ein paar wehten manchmal zu den Nachbarn. Irgendwann hatten wir Erbarmen und suchten einen Bauernhof, so eine Art Altersruhesitz für die Hoppelchen. Der Balkon wurde danach nicht begrünt, ich zog aus. In meiner nächsten Wohnung standen immerhin Kräuter auf der Fensterbank, einen Balkon gab es nicht.
Nun könnte man denken, das war’s jetzt, ist nichts hängengeblieben von den grünen Genen meiner Eltern und Großeltern. Weit gefehlt: In Bremen wurde alles anders! Wir zogen in die Hochparterrewohnung eines Altbremer Hauses und wir durften den (sehr kleinen) Garten mitbenutzen. Plötzlich … ihr ahnt es schon … träumte ich von bunten Sommerblumen, vielleicht auch ein paar Rosen oder gar ein Kräuterbeet? Leider gab es einen Haken. Unsere Vermieter aus der ersten Etage hatten einen Mops (einäugig übrigens, nach einer Auseinandersetzung mit einem Kampfhund) und der durfte den Garten täglich umbuddeln. Und als Klo benutzen. Wir verzichteten auf die Grünflächennutzung.
Yippie – kein Mopspipi mehr!
Jahre später zogen unsere Vermieter in eine andere Stadt – jetzt waren wir wirklich Gartenbesitzer:innen eines winzigen Nordgartens. Das erste Mal in meinem Leben griff ich freiwillig zu Rechen und Rosenschere und machte das Unmögliche möglich: Das mopspipiverseuchte Erdreich wurde zu einer dichten Rasenfläche, wildwuchernde Riesenhecken machte Platz für Schattenblüher und einmal im Jahr erntete ich sogar ein paar Blaubeeren, die ich meinem Liebsten stolz präsentierte. Der hätte damals schon ein bisschen mehr Begeisterung zeigen können, aber naja.
Die Geschichte könnte jetzt zu Ende sein. Aber nein, wiederum ein paar Jahre später zogen wir den absoluten Hauptgewinn: Haus mit riesigem Stadtgarten, wunderbar verwildert und idyllisch und kein Vergleich zu unserem Mopsgarten. Im letzten Jahr fing ich an zu gärtnern, grub Beete um, pflanzte Gemüse. Mein Liebster schafft seitdem säckeweise Blumenerde her, baut Hochbeete und denkt über Kompost nach. Manchmal braucht er Hinweise, wo etwas zu tun ist, aber da hilft mein grüner Zeigefinger. Ich habe ihm vorgeschlagen, ein eigenes Beet anzulegen, vielleicht mit Lieblingsbohnen. Er ist nicht interessiert. Als Kind wurde ihm ein Beet aufgezwungen, das war nicht schön.
Kürzlich habe ich mit meiner Pflanzen-App eine unglaubliche Entdeckung gemacht: Ich habe Phlox im Blumenbeet! Muss ich unbedingt den Kindern zeigen!