Es gibt Momente, in denen ich über Klamotten nachdenke. Meine Hochzeit vor circa 20 Jahren war einer dieser Anlässe. Und da ich eher der Jeans-T-Shirt-Typ bin, war ich bei dem Gedanken an dieses wunderbare Ereignis leicht überfordert. Machte mir Sorgen darüber, was ich anziehen soll, worin ich mich wohlfühle und vor allem darüber, woher ich ein passendes Outfit bekomme. Also machte ich mich rechtzeitig auf die Suche. Viele Wochen vor dem großen Tag schlenderte ich mit dem Liebsten durchs Viertel, wohlwissend, dass die Suche eh nicht von Erfolg gekrönt sein würde, ich kenne mich schließlich gut. Macht nix, wir hatten ja noch Zeit. Es passierte, womit niemand gerechnet hatte: Gleich im ersten Laden fand ich ein wunderbares „Ensemble“ fürs Standesamt. Nicht nur das: Zwei stressfreie (!) Stunden später hatte ich auch noch das beste Hochzeitskleid ever. Elegant, ungewöhnlich und bot Platz für den (wachsenden) Babybauch. Schicke Schuhe inklusive. Übrigens, brauchte der beste zukünftige Ehemann noch Wochen, um einen passenden Anzug zu finden. Hihi.
Kleid vs. Bauch
War es Schwangerschaftsdemenz oder einfach die Begeisterung darüber, dass ich so schnell so erfolgreich war? Ich weiß es nicht. Jedenfalls passte mein Bauch zwei Monate später nicht mehr in das Kleid. Wie konnte das nur passieren? Und was sollte ich nur tun? Eines stand fest: So kurz vor der Trauung würde ich mich nicht noch einmal auf die Suche nach einem Kleid begeben. Es musste dieses tolle Kleid sein. Wie gut, dass eine schneidernde Kollegin sich bereit erklärte, einzugreifen. Sie nähte mal eben einen hübschen dehnbaren (!) Einsatz an die passende Stelle und alles war gut. Und so trug ich bei dem großen Ereignis nicht nur ein besonders schönes, sondern auch ein einzigartiges, maßgeschneidertes Babybauchhochzeitskleid. Wunderbar! Leider waren die Schuhe inzwischen auch etwas zu eng, aber das ist eine andere Geschichte.
Festliche Kleidung muss her
Zwanzig Jahre später droht nun ein weiteres Ereignis, für das Jeans und T-Shirt vermutlich unpassend wären. Seit Wochen kennen wir den Termin des Abiballs und seit Wochen ist uns klar: Festliche Kleidung muss her. Auch dieses Mal war ich gut vorbereitet und schleppte jede Freundin, mit der ich unterwegs war in jeden einigermaßen nett aussehenden Klamottenladen, an dem ich zufällig vorbeikam. Und fand: Nur hübsche T-Shirts und Jeans. Manchmal auch eine Bluse. Kein cooles Ballkleid und auch kein elegantes Ensemble, in dem ich mich wohlfühlen würde. Meine Onlinerecherche machte mir auch nicht gerade Mut: „Brooke Shields trägt ein elegantes langes Abendkleid und kombiniert dazu einen Blazer.“ Wer war doch gleich Brooke Shields? Ich erinnere mich nur dunkel. Oder: „Auch ein Jumpsuit kann bezaubernd aussehen“. Jumpsuit, dieses Wort kam bisher selten in meinem Wortschatz vor. Ja, ich weiß, ein Einteiler für Erwachsene (Strampelanzug?). Ich sehe mich schon auf die Toilette eilen und mich aus dem Ding schälen … Nö. Auf jeden Fall dürfe das Outfit nicht zu knallig, nicht zu pompös und nicht zu sexy sein. Man solle dem Nachwuchs schließlich nicht die Show stehlen. Aha. Ich vertage das Thema lieber noch ein wenig. Es gibt wichtigere Dinge im Leben.
Allmählich kam ich in Ballstimmung
Bei der Suche nach einem Wandershirt hielt ich es plötzlich das Hochzeitskleid in den Händen. Es war ganz hinten im Schrank gelandet und einfach vergessen worden. Ich horchte kurz, ob niemand in der Nähe war und probierte es an. Was soll ich euch sagen? Das Kleid passt noch! Auch ohne Babybauch! Und sah immer noch cool aus! Glücklich rauschte ich durchs Haus und kam so richtig in Ballstimmung. Meine männlichen Mitbewohner waren ebenfalls angetan und dachten sofort darüber nach, was sie denn wohl anziehen würden. Sie wollen vermutlich nicht, dass ich Ihnen die Show stehle. Mal schauen, ob die Schuhe inzwischen wieder passen.
Zum Geburtstag bekam ich von dem besten Ehemann übrigens Karten für die Stockholmer Oper. Der Dresscode des Opernhauses lautet: Trag, worin du dich wohlfühlst.
Worauf ihr euch verlassen könnt!
Ein Gedanke zu „Das Kleid“
Sehr schön, liebe Suse!