Neulich suchte eine Freundin in unserer Mädelsrunde einen Rat: Sie würde sich zu ihrem 50. Geburtstag so gern ihren langjährigen Traum erfüllen und endlich mal nach Thailand fliegen – man solle schließlich nicht so lange warten mit dem Erfüllen von Träumen. Was wir davon halten würden?
Nix, dachte ich. Langzeitflüge: Nö, die sind doch besonders klimaschädlich. Thailand: Nö, da war doch was mit Ausbeutung von ethnischen Minderheiten, oder? Urlaub in Coronazeiten: Nönö.
Und sagte: Hmm. Das sei ja eine schöne Idee und Thailand ist bestimmt auch ein spannendes Land, aber zur Zeit sei das ja schwierig wegen Corona. Und Fliegen – naja – da ist ja das Problem mit der Klimabilanz.
Und schon ging die Diskussion los: Man könne doch ruhig ab und zu fliegen. Blöd, also klimakritisch, sei es, mal eben für ein Wochenende durch die Gegend zu jetten. Oder nur noch Urlaub mit dem Flieger zu machen. Aber so einen langjährigen Traum erfüllen, das sei doch okay. Machen wir doch nur einmal im Leben. Nur jetzt grad nicht, wegen Corona. So die Allgemeinmeinung der anderen. Hmm denke ich. Vielleicht doch nicht so viel nö? Einen Traum erfüllen, das muss doch erlaubt sein, oder? Würde ich doch auch machen, oder?
Irgendwas mit Frankreich
Und was ist eigentlich mit meinen Träumen? Da muss ich erstmal drüber nachdenken. Thailand kam bisher nicht vor. Früher träumte ich von einem eigenen Pony, das im Garten grast und im Gartenhäuschen schläft. Meine Mutter war dagegen. Inzwischen denke ich: irgendetwas mit Reisen muss es sein, Frankreich immer noch. Und Geschichten schreiben. Warm soll es sein und am Meer. Am besten alles zusammen – schön!
Beim Abendessen frag ich mal die Familienmitglieder, was sie über Träume denken. Kind 1 muss erstmal überlegen, ganz die Mutter. Und findet, dass sie ja gerade dabei ist, sich einen Traum zu erfüllen: Nach dem Abi in die USA, ganz bald. Schnüff. Kind 2 hat grad mit Umbauarbeiten zu tun (Pubertät) und träumt von der nächsten Minecraftrunde. Ach ja, einen Spielecomputer hätte er gern, das wäre schon traumhaft. Nö, sagt die Schwester: Es geht nicht um Dinge, die man im Laden kaufen kann. Mehr so um nicht-materielle Träume. Wow, denke ich, jetzt wird es philosophisch.
Der allerliebste Ehemann denkt kurz nach und weiß sofort: Er möchte gern fliegen, also geflogen werden. Und zwar in einer kleinen Maschine, die Welt von oben betrachten. Kann auch Bremen von oben sein. Wichtig ist: er möchte das Fliegen fühlen. Ach ja, und er möchte Polarlichter sehen und dann möchte er noch an einen Ort, an dem die Sonne exakt senkrecht steht. Jetzt kommt Kind 1 in Schwung und kramt in ihren Geografiekenntnissen. Wo will er genau hin, welcher Breitengrad muss das sein? Und schon wird diskutiert. Ich bin raus.
Was träumt der Mann?
Der Mann ist ja gar nicht zu bremsen. Wieso wusste ich nichts davon? Und denke: Kann man nicht einfach mal anfangen, Träume zu verwirklichen? So ein Rundflug über Bremen ist doch machbar, oder? Und hatte ich nicht eigentlich geplant, diesen Sommer für ein paar Wochen nach Frankreich zu fahren und dort ein Buch schreiben, also zumindest anzufangen? Doch, aber dann kam ein Job dazwischen und der Traum in die Schublade. Blöd eigentlich. Raus damit und neu gedacht!
Am nächsten Tag schicke ich meiner Asien-Traum-Freundin einen Zeitungsschnipsel, in dem steht, dass man wieder nach Thailand einreisen darf, ohne sich in Quarantäne begeben zu müssen. Sie bedankt sich freundlich und erklärt, dass der Familienrat ihr von ihren Reiseplänen abgeraten hat. Vor allem ihr 14-jähriger Sohn ist empört, dass Mama überhaupt darüber nachdenkt, zu fliegen und dann auch noch so weit weg. Corona und Klimakatastrophe und so. Und erkundet die Welt lieber per Minecraft. Aha, noch so einer.
Über Träume reden
Ich bin noch nicht durch mit dem Thema und frage jetzt so ziemlich alle, die mir über den Weg laufen nach ihren Träumen und der Erfüllung. Mein Umfrageergebnis: Alle, also die meisten, müssen erstmal darüber nachdenken. Haben die keine Träume? Oder liegt es daran, dass wir ganz zufrieden sind oder uns unsere Träume im Kleinen erfüllen? Damit fange ich gleich mal an und träume vom Frühling – warme Sonne im Gesicht, Hängematte im Garten. Ach ja: Eine größere Terrasse wäre auch nicht schlecht.